Bilder sind mächtig. Sie beeindrucken uns. Sie können uns täuschen und bedrängen, verführen und verfolgen. Ihre Wirkung auf uns kann unvorhersehbar sein und unsere Meinung beeinflussen. Aber sind Bilder auch immer das, was sie zu sein vorgeben?
In Zeiten von Fake-News und Photoshop müssen wir wachsam und skeptisch bleiben. Doch: Wie lässt sich der Wahrheitsgehalt eines Bildes überhaupt feststellen? Wodurch lassen sich Fakes entlarven? Wie können wir uns und unsere Jugendlichen im Bilderlesen schulen? Und: Gibt es sie überhaupt, «die Wirklichkeit»? Davon handelt dieser Blogartikel.
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Ein Quiz zum Einstieg
Hättest du es gewusst? Tatsächlich ist eines der drei Bilder oben echt. Bis am Ende des Blogartikels weisst du auch, wie du das herausfinden kannst. :)
Falschmeldungen beginnen oft mit einem Bild. Es kann bearbeitet sein, in einen anderen (falschen) Textkontext gestellt werden oder schlicht, nur einen Teil der Realität abbilden.
Viele Beispiele dazu enthält das grosse Fake-News-Quiz der Swisscom
Fake oder Fakt - Wie leicht kriechst du Falschmeldungen auf den Leim? Das Quiz ist ein wunderbarer Einstieg ins Thema und wird auch deinen Schülerinnen und Schülern (SuS) viel Freude
bereiten.
Das Quiz bietet Diskussionsstoff und ist Türöffner für zahlreiche weitere Unterrichtsideen zum Thema, die du in diesem Artikel findest.
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Fake-Bildern auf der Spur
Wie lassen sich Fake-Bilder entlarven?
Die umgekehrte Google-Bildersuche leistet dabei gute Dienste.
- Öffne die Google Bildersuche.
- Klicke im Suchfeld auf das Logo des Fotoapparates. Das kleine Fenster Bildersuche erscheint.
- Klicke auf den Reiter Bild hochladen und wähle mit dem Button Durchsuchen… das Bild aus, welches im Internet gefunden werden soll. Alternativ kannst du das Bild auch per Drag & Drop auf die Bild-hochladen-Fläche ziehen.
- Google lädt das Bild nun hoch und zeigt danach alle Webseiten an, die als Quelle für das Bild in Frage kommen.
Die Ergebnisse bzw. die gefundenen Webseiten lassen erkennen, wo das Bild bereits aufgetaucht ist und in welchem Zusammenhang. Daran lässt sich oft erahnen, ob das Bild gefaket ist oder nicht.
Reicht diese Möglichkeit nicht aus, kannst du
- von speziellen Diensten Gebrauch machen, wie z.B. izitru
- die Metadaten des Bildes überprüfen (Rechtsklick auf das Bild: Datum, Ort)
- und z.B. Wetterdaten mit Ergebnissen von Wolframalpha vergleichen
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Echte Bilder - gefälschte Aussagen
Dieses Foto ist echt. Der Text auf dem rechten Bild jedoch nicht. In Kombination mit der Falschaussage «Asylforderer zerstören die Symbole der christlichen Weihnachten» kann das Bild allerdings verheerende Folgen haben.
klärt auf, dass es sich um einen Brauch handelt und sich die Szene keineswegs in einem deutschen Kaufhaus abspielt. Doch
falsche Schlagzeilen wie diese verbreiten sich auf sozialen Netzwerken in Windeseile - mit zum Teil gravierenden Folgen.
Umso wichtiger wird es, Aussagen nicht blind zu vertrauen, sondern mit einer zweiten Quelle zu überprüfen.
Unterrichtsvorschläge:
- Gruppenweise Bilder aus dem Netz mit neuen Titeln und Texten versehen und gegenseitig die Falschnachrichten erkennen und aufdecken lassen.
- Zeitungsartikel genauer lesen: Welches sind gesicherte Textstellen? Welche Signalwörter lassen auf Vermutungen oder Behauptungen schliessen?
- Eine (digitale), einfache, aber gut illustrierte Checkliste erstellen (Piccollage, Word, Papier) mit den wichtigsten Punkten aus dieser Vorlage und diesen Tipps. Hier ein Beispiel.
- Wie funktionieren Social Media? Dossier von SRF myschool
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Das Experiment: Fokussieren der Aufmerksamkeit
Wie aufmerksam bist du?
Wir können unsere Aufmerksamkeit derart fokussiert auf eine Aufgabe lenken, dass wir alles andere um uns herum ausblenden. In der Psychologie spricht man von selektiver Wahrnehmung.
Bereits 1999 führten zwei Professoren folgendes Experiment durch: Die Probanden sollen zählen, wie oft sich Team Weiss im Film oben den Ball zuspielt.
Dabei bemerken nur gerade 8% der Teilnehmenden, dass ein Gorilla im Hintergrund den Raum durchquert.
Dieses Ausblenden ist eine grossartige Leistung unseres Gehirns. Ohne sie könnten zahlreiche Spitzenleistungen nicht vollbracht werden. Dennoch müssen wir diesen Umstand auch immer in die Beurteilung unserer Wahrnehmung aufnehmen: Wir können die Wirklichkeit nicht vollends erfassen.
Unterrichtsvorschlag
- Film "Gorillaexperiment" mit der Klasse anschauen, Erkenntnisse diskutieren und Wahrnehmnung vs. "Wirklichkeit" in neuem Blickwinkel betrachten
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Gibt es «die Wirklichkeit» überhaupt?
Um es gleich vorweg zu nehmen:
Es gibt sie nicht.
Christian Doelker, ein Schweizer Kommunikationswissenschaftler, hat mit seinem «Modell der drei Wirklichkeiten» dargelegt, dass die Wirklichkeit für jeden und jede etwas ganz Eigenes ist. Diese Einsicht ist für die Medienbildung elementar.
Unterrichtsvorschläge
- Wie siehst du die Welt? Auf einem kurzen, gemeinsamen Spaziergang rund ums Schulhaus sollen die SuS 3-5 Sujets fotografieren, die ihnen auffallen. Beim anschliessenden Fotovergleich wird klar: Die Fotos unterscheiden sich deutlich - obwohl alle denselben Weg gegangen sind.
- Vorstellungskraft 1: Dieser Versuch ist zu zweit am besten zu lösen: Partner 1 erhält ein Foto eines einfachen (!) Gegenstandes (z.B. Baum, Tisch, Haus...) und beschreibt das Bild so genau wie möglich. Partner 2 versucht aufgrund der Beschreibung den Gegenstand zu zeichnen. Danach werden die beiden Bilder verglichen.
- Erwartungen/Vorstellungskraft 2: Nach dem Lesen einer Klassenlektüre machen sich die SuS Gedanken darüber, wie die Schauplätze/Hauptpersonen/Szenen ihrer Meinung nach aussehen und halten dies schriftlich fest. Anschliessend wird die Literaturverfilmung gemeinsam angeschaut. Welche Erwartungen wurden erfüllt? Wo wurden die SuS enttäuscht?
- Meisterwerk spielen
Im Spiel "Meisterwerk" müssen Bilder aufgrund von Beschreibungen erstellt werden.
ausleihbar in der Mediothek
Weiterlesen:
Siehe auch: Enter 10/2017 S. 22 ff - Wie wahr ist die Wirklichkeit?
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Potemkinsche Dörfer
Gregor Seiler fotografiert Häuser und Städte. Es sind allerdings besondere Gebäude, die man auch als "Potemkinsche Dörfer" bezeichnet. Damit ist eine Sache gemeint, die mehr scheint, als sie in Wahrheit ist. Die Städte und Häuser sind alle unbewohnt und "Fake". Sie dienen hauptsächlich als Kulissen militärischer Übungen.
Unterrichtsvorschlag:
- Auch Spielzeugautos oder -eisenbahnen lassen sich gut "echt" darstellen. In Kombination mit Naturmaterialien und/oder entsprechender Perspektive können geniale Bilder entstehen.
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DIY - Bildbearbeitungstools nutzen
Einfache Bildbearbeitungstools sind eine grosse Chance für die Medienbildung. Wer selber schon Bilder bearbeitet hat und weiss, wie einfach eine solche Bearbeitung ist, wird skeptischer und glaubt nicht alles, was auf Werbeplakaten oder in Sozialen Netzwerken zu sehen ist.
Beispiel 1: Einfachste Bildmontage mit Phixr
Die Vorlagen des Onlinebildbearbeitungstools lassen auf einfachste Art verschiedene Möglichkeiten der Bildbearbeitung erproben.
Beispiel 2: Sich selber klonen mit GIMP
Aus zwei Bildern wird eines.
Das Gratisprogramm Gimp können SuS auch privat installieren und nutzen.
Beispiel 3: Einfache Bildmontage mit Pixlr
Sich selber neben einen Prominenten stellen oder in ein Gruppenbild schmuggeln
Der Online-Editor Pixlr ist sehr vielseitig nutzbar und stellt Anleitungen zur Verfügung.
Beispiel 4:
Bild retuschieren und Gegenstände entfernen
z.B. für ein "Suche die 10 Fehler-Rätsel"
Diese Möglichkeit gibt es natürlich auch für Pixlr auf diesem Video.
Beispiel 5:
Hiltl-Werbung erfinden
Hier ist Kreativität gefragt. Inspiration findest du in den alten Werbekampagnen von Hiltl
Die Bilder können mit allen gängigen Bildbearbeitungstools verändert werden - oder auch analog als Collage. Übrigens: Auch Fleischtiger kreieren coole Resultate. ;)
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Die Macht der Bilder erkennen
Bild 1: Falschaussagen durch Bildausschnitt
Ein Soldat, der bedroht wird - oder einer, dem geholfen wird?
Je nach Bildausschnitt verändert sich die Aussage eines Bildes gewaltig.
Ideen für den Unterricht:
- Welche Interessen haben Journalisten, eine Aussage so oder anders durch ein Bild zu transportieren? Was bedeutet dies für Kriegsgebiete?
- Wie wird ein Medienereignis in verschiedenen Printmedien dargestellt und warum? Welche Zielgruppen haben die verschiedenen Zeitungen und woran lässt sich dies erkennen?
- Welche Bilder werden publiziert und warum genau in dieser Zeitung?
- SuS redigieren selber Bilder für einen bestimmten Text, ein bestimmtes Zielpublikum und ein bestimmtes Printmedium und vergleichen anschliessend die unterschiedlichen Resultate
Bild 2: Geschlechter-Stereotypen
- Welche Aussage transportiert der Slogan zu diesem Bild?
- Wen soll diese Werbung zum Kauf animieren?
- Für welche Produkte könnte der Slogan auch gelten?
- Wie könnte eine Umsetzung für "Vaterschaft" aussehen? Würde diese Werbung funktionieren?
- Welche Geschlechter-Stereotypen sind bei Werbung auszumachen? Aufgabe: Werbeplakate auf Rollenverständnis untersuchen und vergleichen: Wie haben sich die Bilder und Aussagen in den letzten Jahren verändert?
Bilder 3-6
Schönheitsideale in verschiedenen Ländern
Siehe Esther Honig
Welches Bild gehört zu welchem Land?
Können Aussagen über diese Länder gemacht werden?
Wodurch zeichnet sich der Begriff "schön" aus?
Wie und mit welchem Medium wurde "Schönheit" in anderen Zeiten und Kulturen dargestellt?
Was gaukelt uns die Werbung in Bezug auf Schönheit vor?
Bilder 7/8: Memes
Memes sind Wort-Bild-Kombinationen, die mit
ironisch-humorvollen Zweizeilern aktuelle Situationen beschreiben. In Gruppen können SuS aktuelle Memes sammeln, neu arrangieren oder eigene Memes herstellen. Die Ergebnisse könnten danach von allen auf einem gemeinsamen Padlet gesammelt werden.
Weiterführende Informationen und Unterrichtsmaterialien
Jugendliche Bilderwelten: Unterrichtsideen
Rhetorik - Bildmanipulationen
Menschen verändern Bilder - Bilder verändern Menschen - Dossier Bildmanipulation PH ZH
Referat Peter Holzwarth
Wie wahr ist die Wirklichkeit? Enter 10/2017, S.22ff
SRG: Wie erkenne ich Fake-News in Social Media?
Infografik von Saferinternet.at
Swisscom: Fake-News - Wissenswertes
Medienkompass 2 - Mehr als die Wirklichkeit
So geht Medien: Fake-News
Zuerst denken, dann klicken: Mimikama
Und zum Schluss noch die Auflösung der Früchtebilder am Anfang: Die viereckigen Melonen gibts wirklich ;)
Medientipps - ausleihbar in der Mediothek
Einbettung in den Lehrplan 21
MI 1.2 Medien und Medienbeiträge verstehen:
Die Schülerinnen und Schüler können Medien und Medienbeiträge entschlüsseln, reflektieren und nutzen.
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Markus Brazerol (Dienstag, 21 November 2017 07:20)
Liebe Claudia
Einmal mehr ein toller Beitrag im Sinne des LP21 und im Unterricht direkt umsetzbar. So macht Medienunterricht Spass.
Besten Dank
Liebe Grüsse
Markus