Der Siegeszug der App Snapchat unter der Schülerschaft ist ungebrochen. Snapchat schlägt seit Jahresbeginn alle Rekorde und ist zu einem der beliebtesten Social-Media-Tools geworden. Was macht Snapchat für unsere Schülerinnen und Schüler so unverzichtbar? Welche Chancen bietet die App im Unterricht und wie gelingt es, das Knowhow der Jugendlichen für uns Erwachsene zu nutzen? Davon berichtet dieser Blogartikel.
Snapchat, das ist die App, mit der sich Bilder verschicken lassen, die (vermeintlich) nur für Sekunden angesehen werden können. Leider ist es auch die App, die schnell mit Sexting in Verbindung gebracht wird, weil viele Jugendliche die Selbstvernichtung der Bilder als sichere Möglichkeit betrachte(te)n, gewagte Fotos von sich selber an andere zu versenden. Den negativen Schlagzeilen zum Trotz: Millionen von Usern sind überzeugte Snapper.
Ich gehörte bisher nicht dazu, obwohl ich Snapchat schon lange als App auf dem Handy installiert habe. Und nur dafür ist sie auch gemacht. Eine PC-Version existiert nicht. Aber trotz App-Download: So richtig was damit anzufangen wusste ich uneigentlich bisher auch nicht. Schliesslich brauche ich "sich selbst auflösende Fotos" irgendwie ja nicht... Zum Glück sind in der Mediothek lauter Snap-Expertinnen und -Experten vor Ort, die sehr bereitwillig mehrere kleinere Sessions mit mir durchführten, um mich ebenfalls mit dem Snap-Virus zu infizieren. Schnell wird klar: Die App macht echt sehr viel Spass! Und das finden nicht wenige: Die App erreicht mittlerweile über 6 Millionen Videoaufrufe pro Tag. Damit hat sie innert weniger Monate ihre Nutzungsdichte verdreifacht! Zum Vergleich: Facebook - noch immer das grösste Soziale Netzwerk weltweit - schafft täglich 8 Millionen Videoaufrufe.
Was kann Snapchat?
Doch was kann man denn nun mit der App tatsächlich machen?
Hier ein Einsteigervideo meiner Schüler. Zielpublikum: Anfänger.
Man beachte die rasante Geschwindigkeit beim Handling mit dem Tool (!)
Snapchat unterscheidet sich von anderen Sozialen Netzwerken deutlich. Nicht das perfekt designte Profil oder inszenierte Bild, das man in stundenlanger Arbeit von sich erstellt hat, sondern der Moment zählt und das Unperfekte ist zuweilen durchaus gewollt. Die Snaps werden für kurze Augenblicke verschickt (1-10 Sekunden) und zerstören sich nach dem Ansehen selber. Als Versenderin kann ich angeben, wie lange die Bilder zu sehen sein sollen. Sie sollen weder die Bildergalerien der Freunde zumüllen, noch für die Ewigkeit verfügbar sein. Das Leichte, Flüchtige, Unkomplizierte und Lebensfrohe ist es, was unseren Jugendlichen dabei gefällt. Mehrmals täglich schnell ein witziges Bild der aktuellen Situation an die Kontakte verschickt, soll andere am persönlichen Tagesgeschehen teilhaben lassen. Diese Idee ist genial und entspricht offenbar einem grossen Bedürfnis.
Gefahrenpotenzial?
So bestechend die Grundidee, so lausig die Ausführung. Natürlich werden Fotos und Videos nicht wirklich "gelöscht". Und gewiefte User haben schnell herausgefunden, wie diese Bilder dennoch gespeichert und weiterverbreitet werden können. Dieses Wissen hat natürlich in Zeiten von Social-Media blitzartig die Runde gemacht und sogar dazu geführt, dass ergänzende Apps entwickelt worden sind, die ein Snapchat-Foto unmittelbar nach seinem Erscheinen per Screenshot automatisch abspeichern und damit den cleveren, ursprünglichen Verwendungszweck von Snapchat torpedieren. Also nichts mit Instant-Bildern und Ablaufdatum!
Und so lehrt einen die Erfahrung:
Einen entscheidenden Grundsatz muss man eben in jedem Fall ständig im Kopf behalten, egal, wie viel Spass das Snappen auch machen mag: Einmal ein Bild digital an jemanden weitergegeben, hat man nicht mehr in der Hand, was damit anschliessend geschieht! Auch wenn nur eine einzige Person als Empfängerin gewählt worden ist, bleibt es ein Risiko, was diese mit der Datei anstellt und wem sie diese weitergibt.
Damit wird klar, dass auch bei der Verwendung von Snapchat gilt: Think before you post!
Snapchat in der Schule? Chancenpotenzial?
Beachtet man die oben genannten Regeln, ist Snapchat nicht heikler als andere Soziale Netzwerke. Bereits gibt es Experimentierfreudige, die versuchen, die Begeisterung der Jugendlichen für Snapchat auch im Unterricht zu nutzen. Dank der Möglichkeit, Snaps in "Meine Geschichte" zu speichern, können sie ja immerhin für 24 Stunden angeschaut werden. Für den Einsatz im Schulalltag stellt die Vergänglichkeit sicherlich ein Hindernis dar. Gerne würde man super Ideen und Produktionen schliesslich länger behalten. Dies ist zwar möglich, aber halt nicht in dieser App. Und so muss man sich das Einsatzsetting sehr gut überlegen: Snapchat ist im Unterricht vor allem für Momentaufnahmen geeignet, z.B. über den Stand einer Gruppenarbeit oder einen ersten Eindruck des entstehenden Endproduktes via Bild/Film informieren. Auch während eines Tagesausfluges, einer Schulreise, eines Betriebsbesuches oder einer Exkursion könnte Snapchat gelungene Ergebnisse liefern, denn die SuS sind sehr geschickt im Umgang mit der App und haben zahlreiche, kreative Ideen, wie die Tutorial-Fortsetzung klar macht:
Rollentausch als Chance
Neben den oben genannten Möglichkeiten bietet Snapchat auch die Chance, die Rollen im Unterricht für einmal zu tauschen: SuS vermitteln der Lehrperson den Umgang und die Möglichkeiten/Grenzen einer App. Sie sind Experten in der Verwendung und Nutzung. Dabei kann es gut passieren, dass sich SuS von ihrer gewohnten Rolle in der Klasse lösen und unbekannte Seiten und Talente zum Vorschein kommen.
Unterrichtsbeispiel «One-Shot-Movie»
Für meinen Unterricht koppelte ich das Thema «Snapchat» mit einer beliebten, sehr einfachen Videotechnik, dem «One-Shot-Movie». Die Aufgabe beinhaltete das Erstellen eines Video-Tutorials mit dem Handy über Snapchat, das maximal 2 Minuten betragen darf. Bei der One-Shot-Movie-Technik wird ein Film ohne Absetzen oder Weiterbearbeiten in einer einzigen Aufnahme gedreht. Dies erfordert zusätzliche Kompetenzen: Es braucht einen klaren Plan über die Inhalte, die im Film gezeigt werden sollen. Der Sprechende muss sich enorm auf den Text konzentrieren und wissen, was er/sie sagen will. Er/Sie braucht daher ein selbstbewusstes Auftreten und kann sich keine gröberen Patzer leisten, sonst ist die Aufnahme gescheitert und muss wiederholt werden. Auch der "Kameramann" muss total bei der Sache sein und genau das aufnehmen, was gefordert ist.
Im Unterricht ergaben sich nach der Aufnahme zusätzliche Fragen: Wie steht es um das Recht am eigenen Bild? Was ist beim Hintergrund und der Beleuchtung zu beachten? Am meisten gelernt haben die SuS aus den Fehlern, die beim Dreh passiert sind: Das Handy wurde bei der Aufnahme falsch herum gehalten und so ist der Film nun im unpraktischen Hochformat mit breitem, schwarzem Rand zu sehen. Ausserdem ist einmal kurz ein anderer Schüler sichtbar, weil der Kameramann gepatzt hat. Stört dieser Fehler so stark, dass die Aufnahme nochmals wiederholt werden muss oder gibt sich die Gruppe mit dem Resultat zufrieden, wenn der betroffene Schüler einverstanden ist? Beides sind wichtige Erkenntnisse für weitere Filmprojekte.
Welche Lerninhalte bieten sich zusätzlich an?
Darüber hinaus ergaben sich natürlich spannende Diskussionen rund um die Medienkompetenz: Wann könnte man die App für berufliche Zwecke einsetzen? Welche Informationen über mich und andere verbreite ich beim Snappen unbewusst? Welche Einstellungen der App sind empfohlen? Was macht den Reiz aus, coole Bilder zu verbreiten, die man gar nicht behalten will? Und wieso kommt es immer wieder dazu, dass junge Menschen freizügige Selfies versenden? Wo hole ich mir Hilfe, wenn sich Bilder plötzlich ungewollt selbstständig machen und die Kontrolle darüber verloren geht? Welche Schutzmassnahmen kenne ich, damit mir sowas - auch an einer coolen Party - nicht passiert? Wie werde ich weder zur Täterin, noch zum Opfer?
Dank zahlreicher eigener Erfahrungen und solchen aus der Community kommen beim Diskutieren viele spannende Antworten zusammen. Angereichert mit weiteren Angeboten aus dem Netz verfügen die Jugendlichen am Schluss über eine reiche Palette an Strategien und Infos.
Fazit
Snapchat bietet wunderbare Möglichkeiten, mit Jugendlichen über verschiedene Themen der Mediennutzung zu sprechen. Diese Diskussionen lösen bei den Jugendlichen ein Nachdenken aus.
Gleichzeitig können wir von den Jugendlichen lernen und ihre Art, die Welt zu sehen, verstehen. Davon profitieren beide Seiten.
Ziel bleibt, bei allen, immer wieder neu auftauchenden digitalen Möglichkeiten/Tools/Apps: Den Spass mit dem vorausschauenden, kompetenten Umgang zu kombinieren und die SuS zu verantwortungsvollen, jungen Menschen werden zu lassen. On- und Offline.
Empfehlenswerte Links über Snapchat
Neben unzähligen Tutorials zur Verwendung der App auf YouTube geben folgende Links spannende Hinweise und fantasievolle Ideen:
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Markus Brazerol (Montag, 06 Juni 2016 12:51)
Liebe Claudia
Einmal mehr allerbesten Dank für den tollen Artikel.
Liebe Grüsse
Markus